Annehmen, was ist – Radikale Akzeptanz als Führungsstärke.

03.07.2025

Haben Sie schon einmal mit aller Kraft versucht, etwas zu verändern – und dennoch blieb alles, wie es war?

Man investiert Energie, sucht nach Lösungen, möchte die Dinge in Bewegung bringen – und trotzdem geht nichts voran. Vielleicht, weil der Moment noch nicht reif ist. Vielleicht, weil es schlichtweg so ist, wie es ist.

Ich bin mir sicher, auch Ihnen kommt eine solche Situation sofort in den Sinn. Gerade in der Führung begegnen uns diese Momente häufig: Entscheidungen, die schwerfallen. Konflikte, die sich nicht auflösen. Rahmenbedingungen, die sich nicht so schnell verändern lassen, wie wir es uns wünschen.

Wir sind es gewohnt, rasch zu reagieren, Klarheit zu schaffen, Lösungen zu präsentieren – nicht selten wird genau das von uns erwartet, ausgesprochen oder unausgesprochen.

Doch manchmal verlangt eine Situation etwas anderes: Annahme. Nicht im Sinne von Resignation, sondern als bewusste Entscheidung, die Realität so zu sehen, wie sie gerade ist. Genau darum geht es bei radikaler Akzeptanz.

Der Begriff stammt ursprünglich aus der Psychotherapie. Er bedeutet: Ich erkenne an, was ist – ohne es automatisch gutzuheißen. Ich höre auf, innerlich oder äußerlich dagegen anzukämpfen. Erst dadurch entsteht oft der Raum, in dem echte Veränderung möglich wird.

Auch im Führungsalltag begegnet uns diese Haltung häufiger, als wir uns eingestehen:
Der Veränderungsprozess, der langsamer voranschreitet als geplant, ein Teammitglied, das, der sich nicht so entwickelt, wie erhofft, die eigene Erschöpfung, die sich nicht länger ignorieren lässt.

Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Mir jedenfalls sind solche Situationen nur allzu vertraut. Und ich weiß: Genau dann kann radikale Akzeptanz der mutigste – und zugleich klügste – Schritt sein. Nicht, weil er bequem wäre, sondern weil er einen Perspektivwechsel ermöglicht. Weil er hilft, die Realität nicht schönzureden, sondern aus ihr heraus wieder handlungsfähig zu werden.

Ja, dieser Schritt erfordert Überwindung. Doch – und das ist entscheidend – er spart Kraft. Denn der innere Widerstand gegen das, was ohnehin da ist, zählt zu den größten Energieräuber im (Führungs)Alltag. Wer sich an einem „So darf das nicht sein“ festklammert, verliert oft Klarheit – und mit ihr die Fähigkeit, wirksam zu handeln.

Wer hingegen annimmt, was ist, kann neu denken, anders entscheiden, klarer führen – emotional wie strategisch.

Das bedeutet ausdrücklich nicht, alles einfach hinzunehmen. Aber es heißt: „Ich verschwende meine Energie nicht auf das Unveränderbare, sondern setze sie dort ein, wo ich wirklich etwas bewirken kann.“

Mein Gedanke:

Radikale Akzeptanz ist eine innere Haltung. Sie ist nicht laut, nicht spektakulär – und doch verändert sie alles. Sie schafft Raum: für Klarheit, für Präsenz, für echte Führung.

Radikale Akzeptanz ist kein Rückzug, sondern ein bewusster Schritt nach vorn. Wer anerkennt, was ist – auch wenn es unbequem oder unvollkommen erscheint – schafft Orientierung. Für sich selbst, für andere, für den nächsten sinnvollen Schritt.

Führung bedeutet eben nicht immer, sofort zu handeln, Lösungen zu liefern oder Entscheidungen zu treffen. Manchmal bedeutet sie: aushalten, innehalten, annehmen. Und genau darin liegt oft die größte Kraft. Denn wer aufhört, gegen die Realität zu kämpfen, gewinnt den Handlungsspielraum zurück, den es für echte Veränderung braucht.

In diesem Sinne: Erlauben auch Sie sich, anzunehmen, was ist – und führen Sie aus der Klarheit, die daraus entsteht. Denn manchmal beginnt Wirksamkeit genau dort, wo der Widerstand endet.

Herzlich,

Ihre

Sandra Günther